Pünktlich wie immer bestiegen um 8.15 in
Cortemilia 20 Interessierte den Bus. Durch das Bormidatal ging es in die
Region Ligurien nach Cengio. Freundlich empfing uns Vicedirektor Curti
und zwei seiner Mitarbeiter und führten uns in ein Sitzungszimmer, wo
wir über die Vergangenheit, Gegenwart und über die Zukunft der ACNA
(heute aufgeteilt in Töchter der ENI) informiert wurden.

Die Karten (Pläne) wurden offen auf den
Tisch gelegt, auch unangenehme Fragen wurden beantwortet. Hier eine
kurze Zusammenfassung:
Unbestritten ist in Cengio das grösste
Sanierungsprojekt von Altlasten in der EU. Bereits 1882 wurde Dynamit
produziert, später entstand daraus eine Chemiefabrik wo bis zu 370
verschiedene chemische Produkte hergestellt wurden. Bis zum ersten
Weltkrieg waren bis zu 5000 Arbeiter beschäftigt und damit war die ACNA
der grösste Arbeitgeber in dieser Region. Erst ab 1949 sind jedoch
genaue Aufzeichnungen über die Produktion und deren Nebenprodukten
vorhanden - vor 1949 gibt es anscheinend keine ... Wie nicht nur in Cengio war man sich früher der Umweltverschmutzung nicht so sehr bewusst
- man sagte sich einfach auf meinem Grundstück mache und lagere ich was
ich will. Aus dem Bormidatal (Region Piemont) kam jedoch vermehrt
Opposition über die Verschmutzung des Wassers - aber den "einfachen"
Bauern wurde kein Gehör geschenkt. Nicht nur alle Fische starben,
auch ein blauer Dunst verbreitete sich im Bormidatal und Gemüse und
Früchte durften nicht mehr verzehrt werden. Auch die Erkrankungen an
Brustkrebs erhöhte sich z.B. in Cortemilia um das Achtfache. Als 1986 ein
neues Wasserschutzgesetz in Kraft trat, wurde die erste Kläranlage
gebaut. Aber auch danach kam das Wasser immer noch blau die Bormida
herunter was erneut zu einer grosser Polemik führte. Für Greenpace und
andere grüne Gruppierungen wurde DAS Exempel gefunden- die Fabrik musste
1999 geschlossen werden. Die Mitarbeiter wurden nach und nach entlassen,
1986 waren es noch 1500 bei der Schliessung 1999 noch 800. Heute sind
120 Mitarbeiter für die Sanierung angestellt. Eine Zeitbombe befand sich
jedoch in den Auffangbecken, in denen ab 1986 eine Menge von 380'000 m2
(ca. 38'000 Lastwagen) stark giftiger Klärschlamm gelagert wurde. 1993
waren alle Becken gefüllt so dass ein Projekt einer Verbrennungsanlage
ins Auge gefasst wurde, was jedoch auch von der Opposition bekämpft
wurde.
Ferngesteuerter Trax, der den Klärschlamm zum Trocknen
heraus baggert ...
Stand heute: Die Bormida hat sich wieder
regeneriert - Fische, Krebse und viele andere Tiere haben sich wieder
angesiedelt. Auch für die Menschen sollte kein Gesundheitsrisiko mehr
bestehen. Die Sanierung von Cengio sollte bis 2008 abgeschlossen sein.
Immer noch werden jedoch wöchentlich mit der Eisenbahn Tonnen von
getrocknetem Klärschlamm nach Deutschland gebracht, wo sie in Minen
versenkt werden. Rund um das Gelände wird bis tief auf den Fels eine
Mauer gebaut, 3 Meter hoch um auch bei Hochwasser der Bormida genügend
Sicherheit zu haben. Diese ist heute zum grössten Teil gebaut und sollte
noch dieses Jahr fertig gestellt werden. Danach wird das Ganze mit einem
Betondeckel überzogen und überpflanzt. Der nächste Schritt ist dann der
Wiederaufbau einer neuen "giftlosen" Industriezone ...

Bereits nach 12.00 wurde unser Bus mit dem
wir das ganze Gelände anschauen durften beim Ausgang "geduscht" - auch
wir wären gerne darunter gestanden ...
Mit dem "Pulman" ging es dann nach Prunetto.
In einem Agriturismo nahmen wir bei angeregten Diskussionen das
Mittagessen ein. Bruno Bruna, einer der führenden Oppositionellen
erläuterte uns dann auch noch aus der Sicht das Gehörte und Erzählte.
Früher musste er mit einem Stahlhelm nach Cengio - heute hat sich die
Situation entschärft - mit der Einstellung der Produktion und durch die
Sanierung haben auch "Gegner" ihre Ziele weitgehend erreicht. Seine
Aussage, dass in den 90er Jahren ein Fisch nur gerade 8 Sekunden im
Wasser leben konnte das aus dem Werk floss machte allen grossen
Eindruck. Kurt Hägi unser Präsident unterstrich noch einmal, dass er
hoffe, dass von den geleisteten 90% der Sanierung auch die restlichen
10% (in Italien oft fallen gelassenen) noch bewerkstelligt werden.
Die anschliessende Besichtigung der Kirche
und des Schlosses von Prunetto war dann ein totaler Gegensatz zum
morgigen Geschehen. Gute, reine Luft und ein wunderschöner Ausblick in
die Hügel der Langhe bis in die Alpenkette verbunden mit der Kunst der
Vergangenheit lenkte die Gedanken in eine andere Richtung.

Die Kirche Madonna del Carmine gänzlich aus
Steinen der Langhe gebaut beinhaltet Fresken die Ende des 15.
Jahrhunderts von Segurano Cigna, Mondovi angefertigt wurden.
Das Schloss der Del Carretto ist eine
der besterhaltenen Festungsbauten der Langhe. Das Schloss geht auf das
12. Jahrhundert zurück und bewahrte trotz zahlreichen Umbauten immer
seine Militärische Gestalt. Nach den Zerstörungen des letzten Krieges
und nach jahrzehntelanger Verwahrlosung ist das Schloss vor kurzem
wieder zu neuem Leben erwacht. Von der Gemeinde erworben, wurden die
Innenräume wieder hergestellt und beherbergen heute ein
Völkerkundemuseum. Die Führung war sehr interessant - leider drängte
schon die Zeit - der Bus wartete.

Ein längerer Besuch dieser Stätten lohnt sich bestimmt, 1-3 mal pro
Monat jeweils am Sonntagnachmittag ist das Castello und die Kirche
geöffnet. Der Eintritt beträgt Euro 2.50 und über die grüne Nummer
0800-551129 erhält man sogar eine Auskunft in Deutsch.
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